Oldalak

2023. szeptember 1., péntek

Németh Eszter: Kriechender Hennich und die Landsknechte

Szántói Krisztián


Übersetzung/Fordítás: Eszter Németh
Korrektur/Szerkesztette: Lukas Krois

magyar eredeti/Original auf Ungarisch

Vorwort: Einige Hügel von Kisszékely sind mit dem Hundszahngras (Cynodon dactylon) bedeckt. In wortwörtliche Übersetzung heißt es Sternengrass oder Sternenrasen. Für das Hundszahngras gab es auch weitere Trivialnamen, sowohl auf Ungarisch als auch auf Deutsch. So bekam der Protagonist dieser Geschichte seine Namen, Zsürke oder Kriechender Hennich (Mittel- und Süddeutschland).

Es war Sommer. Die Heuballen der ersten Mäharbeiten lagen bereits auf den Hügeln und die Eichen waren beinahe mit dem leuchtenden Grün der Landschaft verwaschen. Es war nicht das leuchtende Grün des Frühlings, sondern das reife, verblassende, ausgewogene, schwere Grün des Sommers. Irgendwo in der Ferne rief eine Wildschweinsau nach ihren hungrigen Sprösslingen, die sie zu den Eicheln führte.

Die Fäden des Sternengrases kitzelten ihn ein wenig in der Nase, aber Hennich achtete nicht darauf, schmiss sich auf die Hügelspitze hin, warf einen langen Blick auf die sorgfältig geformten weißen Wolken am Himmel, spannte seine Muskeln an und bereitete sich darauf vor, den Hang abwärtszurollen. Er kullerte bereits in der Mitte des Hügels, als unten im Tal am Waldrand eine fröhliche, bunte Truppe auftauchte.

              Kriechender Hennich bremste die fröhliche Rollerei und pflügte einen kleinen Graben in die grasbewachsene, sternenübersäte Seite des Abhangs. Die abgetragene Hose, das ausgewaschene weiße Hemd und die ausgefranste grüne Weste, sowie der Ranzen, den er eng an seine Brust drückte, ließen nicht erahnen, was in den Hügeln lauerte, und das strohblonde Haar fügte sich in die Landschaft, wie ein vergessenes Strohhälmchen.

Unten kam die bunte Gruppe mit langsamen Schritten voran. Die breiten Streifen der grün-roten Gewandung, die Pluderhosen, die burgunderroten Mantel und die herzförmigen Hüte bedeckten ihre breiten Schultern mit den spitzen Piken, während die Herrschaft ein seltsames Lied summte.

Ihr Kinder habt Acht

Vorm Herrn der Schlacht

So laufet schnell weg

Vorm Rot und Grünen Kinderschreck

Gewandet schön in schwarz und gelb

Ist er unser größter Held

Bedrohen Kinder s‘ Lagertor,

holt er seine Wehr hervor…[1]

 

Hennich sah die Schar erstaunt an. Das Haupt, des Knechts in grauem und violettem Gewand, war mit einem langen roten Haarschopf geschmückt, um den ihn jedes Mädchen beneidet hätte, aber sein Gesicht hatte einen rötlichen Bart. Hennichs Augen waren kugelrund. So weit geöffnet vor Staunen, dass er, seine natürliche Vorsicht vergaß, den Halt verlor und mit zunehmender Geschwindigkeit den Hügel hinunterstürzte, um mit einem lauten Aufprall vor den Füßen der bunten Truppe zu landen, die vor Überraschung laut aufschrie.

„Halt!“- rief der Vordermann in Grün und Rot.

Wie eine gut geölte Maschine hielt die Truppe auf dieses Wort hin inne. Natürlich mit Ausnahme des bärtigen Riesen mit dem burgunderroten Wappenrock am Ende der Truppe, der in den stehenden Rotschopf hineinlief, der wiederum in den vor ihm stehenden hineinlief, und so weiter. Wie ein geschickt gestapeltes Kartenhaus, wälzte sich der Stoß durch sie hindurch, bis er den vordersten erreichte. Der in Grün und Rot stand an der Spitze der Gruppe, breitbeinig und felsenfest. Der Schwung ließ ihn zwar leicht nach vorne taumeln, aber er richtete sich auf, schickte die Welle zurück, und so kam die Truppe schließlich zum Stillstand.

„Wer um Himmels willen bist du und wo zum Teufel kommst du her, du, Nichtsnutz?“ knurrte er Hennich an, der aufsprang, seinen Ranzen zurechtrückte, sein Hemd herunterzog und den Mann vor ihm zornig ansah. Der Vordermann konnte sich glücklich schätzen, dass Kriechender Hennich den angesammelten Staub nicht vor seine grün-roten Füße gespuckt hatte, denn er war wirklich gut im Spucken. Er hatte einen Mund, wie eine Erdbeere und eine spitze Nase; niemand weit und breit von Simontornya bis Rácpácegres konnte so trotzig spucken, wie der Kriechende Hennich, besonders wenn er verärgert war.

Er warf einen Blick auf die Spitze der Pike des Hauptmanns, die im Sonnenlicht glänzte, der Mann war nicht klein, und sein stolzer Bart war so rot wie der Haarschopf des Andern. Es gab keine Schwaben in der Nachbarschaft, aber er erahnte das Fremdwort und antwortete prahlend:

„Méghogy én semmirekellő[2]? Hát téged meg honnan szalajtottak, te madárijesztő? Azt hiszed, mert olyan hegyes a pikád, már mindjárt te vagy itt az ángyomkínja?“

Der Vordermann hörte nur das Wort „Pika“ aus dem Geschwafel aus, und sein bärtiges Gesicht leuchtete auf, und er klopfte Hennich auf die Schulter:

„Aso, du kennst mich ja schon, braves Kind, ja, ich bin der Anführer, und da sind meine treuen Landsknechte!“ mit großem Stolz deutete er auf das staunende Bartregiment hinter ihm.

„Láncnémet? Na, ne félj, kutyaütő ebugatta, majd megszalasztalak én a cimboráimmal!“ [3]und zur Verwunderung des Bärtigen machte er auf dem Absatz kehrt und rannte davon, wobei er Staubwolken von der Straße hinter ihm aufwirbelte.

Der Bartregiment marschierte weiter, als wäre nichts geschehen, obwohl der Rot-Grüne, nicht auf den Kopf gefallen war, und einen besorgten Blick mit dem Rotschopf tauschte.

Der Blick war nicht nur beunruhigt, sondern auch prophetisch, denn Hennich hatte tatsächlich einen Ast am Rande des Dorfes aufgehoben und scharrte mit ihm wütend in den Boden, während er an den Zäunen entlanglief und laut rief:

 

„Hey, Tanika, hey Punktata, hey Katibo, hey Papukvogel, hey ...“ und er rief alle Namen, alle die in Rácpácegres lebten und alle, die es nicht taten. 

Sie streckten alle ihre Nasen heraus: „Was plapperst du, was galoppierst du, Tani...“  um erstaunt festzustellen, dass es diesmal nicht Tanika war, der sonst für den Schlamassel so oft verantwortlich war.

„Wer bist du denn?“ schnauzte Tanika Hennich an.

„Na, du von Papier geflüchteter Halunke, erkennst mich nicht?“ antwortete er.

 "Siehe mal, es ist Kriechender Hennich!", lachte Sinnierer und hob freundlich einen Faden von ihrer Schulter. "Katibo, bring mir bitte Papier und Schere, wir müssen die verhaspelten Fäden der Geschichten entwirren!“

Ohne ein Wort zu sagen, stellten sich Katibó, Sinnierer, Little Sizzle, Tanika und Manora um Hennich herum und entwirrten sorgfältig die Fäden der Geschichte, jeder nach seinem Geschmack, und wickelten sie auf dem zusammengerollten Papier auf und ordneten sie mit großer Sorgfalt.

Im Nu waren sie fertig. Dann klatschte Hennich sich an die Stirn:

„Ich wollte gerade sagen, dass unten auf der Straße ein paar Galgenvogel in bunten Gewändern waren...“

"Du hast sie mitgebracht, Hennich, schau, hier ist der Faden, wickle ihn auf", sagte Sinnierer schelmisch, aber ernst und reichte ihm einen der Fäden, die von seinem Kopf herunterhing.

              "Nun gut", schüttelte Hennich den Kopf, dann setzte er sich in den Staub am Ende des Weges, fing an, Buchstaben auf den Boden zu malen und die kleinen Fäden seiner Geschichte hier und da aufzulegen:

 

Kriechender Hennich hätte das Dorf in Panik versetzt, wenn nicht alle auf den Feldern gewesen wären, denn es war Mittag, und sie waren entweder bei der Arbeit oder brachten dem Arbeiter das Mittagessen oder hüteten das Vieh, so dass das Dorf so leer war wie Hennichs Bauch, da er seit gestern nichts mehr gegessen hatte... Was sollte er jetzt tun? Dieser Anführer oder wer auch immer, blieb wohl nicht stehen, außer sich am Arsch zu kratzen, also werden sie marschieren, sie werden kommen, und sie werden sicher alles verwüsten, weil sie eben Plünderer sind.

Hennich saß auf dem Rand am Brunnen, mitten im Dorf, und vergoss in seiner großen Not riesige Tränen, weil er nicht wusste, wie er alles von Rácpácegres bis Simontornya verteidigen sollte, denn er reichte ihnen nicht einmal bis zum Knie, er hatte keine Waffe, es sei denn, man zählte die Steinschleuder in seiner Tasche, aber selbst die dazugehörigen Kieselsteine hatte er beim Herunterrollen des Hügels fallen lassen.

„Warum weinst du?“ kam die plötzliche Frage, und der Vordermann der Landsknechte stand vor Hennich, als sei er gerade aus dem Erdboden geschossen.

„Er versteht dich nicht, mein Herr, siehst du das nicht? sagte der Rotschopf. „Ich glaube, er hat Angst, dass wir dem elenden Dorf etwas antun werden.“

Hennich schaute den Rotschopf erstaunt an, der jedes seiner Worte deutlich verstand, obwohl er genauso fremd war wie der andere.

„Nyomorult, akinek három anyja van!"[4], brummte er durch die Zähne, aber er warf dem Rotschopf einen dankbaren Blick zu, und der grinste friedlich zurück.

„Ach was", lachte der Grün-Rote und sah Hennich an, der sich sehr wunderte, dass in den blauen Augen Freundlichkeit lag.

Sie standen dort mitten in Rácpácegres so vertraut gegenüber, als hätten sie gemeinsam die Ferkel gehütet, was schon deshalb unmöglich war, weil Hennich selbst noch nie etwas gehütet hatte, außer vielleicht den Schatten unter dem Nussbaum auf der Hügelkuppe. Dann kam ihm der Einfall, dass er sie, wenn sie schon hier waren und er ungern gegen ihre Schwerter und Piken kämpfen wollte, genauso gut zum Essen einladen konnte. Er winkte ihnen, und sie folgten ihm, ließen sich im Hinterhof und auf der Veranda nieder und lehnten die Piken an die Fensterbank.

Hennich holte einen Laib Brot, den Schmalzkübel und Sauermilch, während der Riese Wasser vom Brunnen schöpfte und der Rotschopf Äpfel in eine Schüssel von der Veranda pflückte. Sie holten auch den Brotsack heraus, setzten Hennich zwischen sie und teilten das Abendbrot dann brüderlich.

Nachdem sie sich satt gegessen hatten, legten sie sich auf den Sternenrasen unter dem Nussbaum, das Sternengras kitzelte sie in der Nase, das Flüstern des Windes in der Baumkrone wog sie in den Schlaf. Hennich saß am Fuß des Baumes und summte leise vor sich hin. Es war so ruhig wie bei Sonnenuntergang auf dem Hügel im Mondlicht des Nussbaums, wenn das Dorf nicht mehr vom Licht der Laternen, sondern nur vom Tanz der Glühwürmchen, die um Sonnenwende des Monats Mariä Himmelfahrt erleuchtet wurde. So summte er, der Krichende Hennich:

 

Er ist den Kindern auf den Fährten

Geht drum gern in Kindergärten

Dort schliesst er alle Türen zu

Und bald schon brennt das Haus im Nu

Er holt die Knochen aus der Asche

Denn er hat da so ‘ne Masche

 

Er kitzelte die Nasenspitze des Riesen mit der fünfzackigen Krone eines Sterngrases, der, von der Frechheit aufgewacht, nur das Gras wegbürstete und dann, seinem Vorbild folgend, den Rotschopf auf dieselbe Weise ärgerte.

Die Schatten wurden langsam länger, und Hennich‘s Beine wurden schwer; er saß selten so viel an einem Tag. Die bunt gekleidete Truppe zog los, warfen sich ihre Piken über die Schultern und sangen, hinterließen ein leises Gemurmel und die Staubwolken, die von ihnen aufgewirbelt wurden.

Hast du dich schon mal gefragt,

Warum er rote Socken tragt?

Der Grund warum er‘s tragen tut…

Hennich stand lang am Dorfrand, wo die Schar der Feldarbeiter mit langen, müden Schritten ankam. Er zupfte am Saum seiner schäbigen Kleidung und schien über etwas zu grübeln. Er drehte sich kurz um, warf einen scharfen Blick auf den Brunnen und das Dorf, als wolle er es sich einprägen, und zog auf Schusters Rappen los, den Hügel hinauf, durch den Wald, das Gras ächzte unter seinen Füßen, bis auf das Sternengras: es streichelte seiner Hose und seine nackten Knöchel. Er rannte, als wäre er gejagt worden, obwohl nur ein Kaninchen auf der Flucht vor einem Fuchs einen so wilden Galopp in diese Richtung hätte hinlegen können, aber selbst der hätte mehr Verstand und wäre bald in der Höhle eines seiner Gefährten verschwunden gewesen.

              Er rannte, bis er die bunte, singende Truppe einen guten Steinwurf von der Kreuzung entfernt fand. Er hielt inne, stützte beide Handflächen auf die Knie und wartete mit einem durchdringenden Blick auf die Herannahenden auf der Straße.

„Na du? Hast du uns vermisst?“ lachten sie ihn an, als sie ihn erreichten.

„Megjöttem[5]." sagte Hennich schlicht.

"Kommst du mit?" fragten sie, und der Riese löste den Strohhut, der an seinem rot-grünen Bündel hing, und drückte ihn Hennich an den Kopf.

Aber er ging nur bis zur Kreuzung mit ihnen, und als sie nach Norden abbiegen wollten, erklärte er ihnen mit Händen und Füßen, dass sie nicht in diese Richtung gehen könnten, denn in Simontornya befände sich eine andere Truppe von Plünderer, und es wäre nicht klug für seine neuen Freunde, ihnen über den Weg zu laufen. Also wandten sie sich nach Süden.

Hennich nahm den Strohhut vom Kopf, gab ihn ihnen zurück und schüttelte den Kopf: er könne nicht gehen. Der Rot-Grün sah ihn mit einem freundlichen Grinsen an, und dann umarmte er ihn, ebenso wie der Rotschopf, der Riese und alle anderen. Sie blickten vom Hügel zurück, bevor sie auf dem südwestlichen Waldweg verschwanden.

Er starrte ihnen lange und besorgt hinterher, obwohl er spürte, dass er sie nicht zum letzten Mal gesehen hatte. Selbst hier, am Ende der Welt, hatten ihn die Nachrichten von Krieg und großen Zwistigkeiten von Landherren erreicht. So manches Dorf war von Söldnern und anderen Kriegern verwüstet und geplündert worden, und obwohl die Alten ihn gelehrt hatten: ,,Der weitherkommende Mensch kann erzählen, was er will‘‘ vertraute Hennich den Landsknechten.

Dann machte er sich auf den Weg und hielt nicht an, bis er den Teich zwischen Rácegres und Pácegres erreichte. Er versteckte seinen Hut und seine Tasche in einem hohlen Baum, und dann warf er sich so, wie er war, mit seiner ganzen Kleidung, ins Wasser. Er tauchte unter, und sobald er wieder auftauchte, ließ er sich vom Wasser des Teiches tragen, um Raum und Zeit fortzuspülen. Eine gute Stunde lang trieb er auf der Wasseroberfläche, bis ihn der Klang der Glocke an das Ufer lockte.

Er hängte seine Kleider zum Trocknen an den Strauch, legte sich an einen Baum auf das Moos und richtete seine Augen auf die Sterne, damit die Träume mit sanften Füßen auf seine schwer gewordenen Augenlider tanzen konnten.

 



[1] Pixnar der Kinderschreck stammt von Armin

[2] Was soll das heißen, ich Nichtsnutz? Wo kommst du denn her, du Vogelscheuche? Glaubst du, weil deine Pike so spitz ist, bist du derjenige, der derjenige ist, der derjenige ist, der derjenige ist…

[3] Langknete? Mach dir keine Sorgen, du Krippenreiter, ich werde dich und deine Kumpels aufs Kreuz legen!

[4] 'Schuft mit drei Müttern'

[5] Bin eben da.

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